Als "Normalobjektiv" für spiegellose Nikon-Kameras besaß ich bislang nur das Z 24-70 F/4.0, dass ich seinerzeit im Kit mit der Z6 erworben habe. Mit der Bildqualität war und bin ich zufrieden, für die Reise ist das Objektiv ideal. Doch war mir der Brennweitenbereich irgendwie immer zu kurz. Daher habe ich, sobald ich nicht auf das Gewicht achten musste, sehr oft das Tamron 35-150 mm f/2.8-4.0 entweder an der D500 oder mit dem FTZ-Adapter an der Z6 im Einsatz gehabt.
Irgendwann fasste ich aber den Entschluss, komplett auf spiegellose Kameras und die zugehörigen Objektive umzusteigen. Als ich hörte, dass Tamron sein 35-150 mm f/2-2.8, das Sony-Nutzer schon lange kennen, auch für Nikon-Z produzieren wird, trennte ich mich mit dem Vorgänger gleichzeitig von meinem letzten F-Objektiv.
Ob und welche Vorteile dieser Schritt gebracht hat, darüber will ich im Folgenden berichten.
Das Hartplastikgehäuse seines Vorgängers hat mit fortschreitender Nutzungsdauer doch erste deutlichere Spuren gezeigt. Jedoch lag es bei Einführung auch fast 800 EUR unter seinem aktuellen Nachfolger. Der Preisunterschied sollte sich doch auch positiv bei der baulichen Qualität bemerkbar machen!?
Schon beim Auspacken wird mir bewusst: das neue Objektiv ist kein Leichtgewicht mehr: 1.190 g gegenüber 790 g des Vorgängers. Die 400 g mehr Gewicht liegen beeindruckend klar auf der Hand.
Der Filterdurchmesser ist ebenfalls um 5 mm auf 82 mm gestiegen. Dafür kommt es mit einer überraschend dezenten Gegenlichtblende daher, die solide gearbeitet ist und sich sehr gut umstecken lässt!
Die Riffelung der beiden Einstellringe ist kräftiger ausgearbeitet und fasst sich gut. Jedoch hadere ich schon wie bei dem Vorgänger damit, dass der Zoomring nicht vorne liegt, wo ich ihn intuitiv erwarte.
Das Objektiv besitzt 3 sogenannte Fokuseinstelltasten. Wo man die 4. erwartet, findet sich stattdessen der "Zoomverriegelungsschalter". Dazu gibt es noch den AF/MF-Schalter und einen weiteren, 3-stufigen Schalter, der benutzerdefiniert belegt werden kann.
Einen Schalter zur Begrenzung des Zoombereichs gibt es nicht. Die Funktion kann leider auch dem benutzerdefinierbaren Schalter nicht zugewiesen werden.
Die alte "Docking Station" von Tamron ist überholt. Das Objektiv kann mit jedem handelsüblichen, vollbelegten USB-C-Kabel an einen PC, ein Smartphone oder Tablett angeschlossen werden. Mit einer eigenen App können Firmware-Updates und andere Einstellungen schnell und einfach vorgenommen werden. Der Anschluss dazu liegt am hinteren Objektivring. Er hat keine gesonderte Abdeckung, was sich hoffentlich nicht irgendwann als Schwachstelle erweisen wird.
Der Bajonettring ist aus Metall und besitzt eine Gummidichtung, die vor dem Eindringen von Feuchtigkeit schützt.
Insgesamt erweist sich das Objektiv nach mehrfacher Nutzung als durchaus solide und wertig verarbeitet. Es hat nun schon mehrfach erfolgreich Wind, Regen, Schnee, Salz und Sand widerstanden.
Größe und Gewicht machen es zu keinem idealen "Immer-drauf"-Objektiv. Dafür ist es ein zuverlässiger und vielseitiger Begleiter auf allen Fototouren.
Der Zoombereich lässt sich mit weniger als einer Vierteldrehung bei einen sehr angenehmen Widerstand einstellen, nur suche ich den Zoomring momentan immer noch vorne statt hinten.
Der Fokus des Tamron läuft sauber und treffsicher, vielleicht ohne dabei der Allerschnellste zu sein. An meiner Z6 gab einen Moment, wo er nicht zu wissen schien, in welche Richtung er zuerst soll und für ein bis zwei Sekunden auf der Stelle verharrte. Diese Situation konnte ich allerdings bislang kein zweites Mal herbeiführen.
Der Fokusmotor arbeitet solide und nahezu geräuschlos. Ein Test mit bewegten Motiven steht noch aus, für normale Anwendungen bin ich mit dem AF aber absolut zufrieden.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger läuft der Fokusring während des Fokussierens nicht mit. Allerdings bleibt er im AF-Modus ohne Funktion. Erst wenn man auf manuellen Fokus umschaltet, kann er genutzt werden.
Der "Zoomverriegelungsschalter" lässt sich leider nur eingefahren, also auf 35 mm betätigen. Als ich im Zoo die Kamera an der Scheibe anlegen wollte, verstellte sich die Brennweite schon bei geringstem Druck. Da wäre es hilfreich, könnte man die Brennweite bei jedem beliebigen Wert fixieren.
Auch hadere ich irgendwie noch mit der Naheinstellgrenze. Beim Vorgänger lag sie bei fixen 45 cm. Hier liegt sie nun zwischen 33 cm (35 mm) und 85 cm (150 mm). Der Vorteil dieses Prinzips will mir noch nicht recht einleuchten. So empfinde ich es zur Zeit noch als verwirrend, die passende Kombination aus Abstand und Brennweite für Aufnahmen im Nahbereich zu finden.
Die Gegenlichtblende des Tamrons ist leicht aufzusetzen und rastet sauber ein. Das klappt so leicht und so perfekt, dass ich mir wünsche, viele andere Objektive hätten eine wie diese. Hierfür gibt es definitiv ein Extra-Sternchen!
Bemängelt wird bei Objektiven mit der Brennweite von 35-150 mm, dass sie nach unten zu stark eingeschränkt seien. Dafür decken sie aber den Tele-Bereich besser ab, als z. B. ein 24-120 mm.
Die Entscheidung über den passenden Brennweitenbereich muss jeder für sich treffen. Ich fotografiere gerne im Weitwinkelbereich. Da bin ich sehr gerne auch deutlich unter 24 mm unterwegs. Ich brauche also in vielen Fällen ohnehin ein zweites Objektiv, wie das Nikkor Z 14-30 mm, wodurch die Frage nach der Anfangsbrennweite von 24 oder 35 mm für mich weniger relevant ist.
Mein 24-70 mm ist das Objektiv, welches ich am wenigsten nutze. Die Endbrennweite von 70 mm ist mir einfach zu oft zu kurz. Die häufigen Wechsel auf Objektive mit weiterreichenden Brennweiten wurden mir schnell lästig, vom damit verbundenen, zusätzlichen Gepäck ganz zu schweigen.
Objektive, wie ein 24-120 mm oder ein 35-150 mm, drängen sich da förmlich auf. Mit ihnen kann ich einen sehr hohen Prozentsatz der von mir bevorzugten Motive einfangen, ohne ständig das Objektiv wechseln zu müssen. Außerdem erreichen sie eine Bildqualität, die sich mittlerweile mit der der gängigen 24-70 mm Objektive durchaus messen kann.
30 mm mehr Endrennweite in Kombination mit der hohen Lichtstärke sprechen für das 35-150 mm. Noch vielseitiger verwendbar wäre es, wenn es zusammen mit einem Telekonverter genutzt werden könnte. Das ist aber leider nicht möglich.
Kürzlich habe ich eine Fotoreise auf die Lofoten mitgemacht. Da ich mir nicht sicher war, welche Brennweiten benötigt werden, habe ich das 14-30, das 35-150 und vorsichtshalber das 100-400 eingepackt. Am Ende habe ich über 50% meiner Bilder mit dem 14-30 gemacht, wie man es bei der Landschaftsfotografie erwarten darf. Die nächsten 40% sind aber mit dem 35-150 entstanden. Das 100-400 hätte ich in diesem Fall also beruhigt zu Hause lassen können.
Sollte doch einmal eine höhere Endbrennweite benötigt werden, schließen Teleobjektive, wie das Tamron 150-600 oder das Nikkor Z 180-600, nahezu nahtlos an. Kombiniert man beispielsweise das 35-150 mit einem 14-30 mm und einem 150-600 mm, deckt man einen riesigen Brennweitenbereich mit nur drei Objektiven ab. Und das bei einem verhältnismäßig geringen Gewicht.
Das ist ein weiterer Grund, warum ich dieses Objektiv so gerne im Gepäck habe.
Leider eignet sich das Tamron f/2-2.8 für Nahaufnahmen nicht mehr so gut, wie sein Vorläufer, das f/2.8-4. Mit einem Abbildungsmaßstab von 1:5,9 (150 mm) kommt das f/2-2.8 nicht an seinen Vorgänger mit 1:3,7 oder gar an das Nikkor Z 24-120 mit 1:2,6 heran.
Obendrein wird schon mit den ersten Testbildern deutlich, dass Aufnahmen im Nahbereich bei Offenblende recht weich erscheinen. So weich, dass man den Effekt direkt als Stilmittel einsetzten könnte. Wer dann doch weniger Wert auf einen eingebauten Weichzeichner legt, kann durch Abblenden leicht Abhilfe schaffen. Bereits bei Blende f/4 sind die Bilder mit diesem Objektiv knackscharf, bei einem, wie ich finde, extrem unauffälligen Randabfall.
Der Schärfeverlauf ist wunderbar ruhig und gleichmäßig. Die Motive lassen sich sehr schön freistellen. Auch das Bokeh empfinde ich als sehr angenehm gleichmäßig.
Bei Aufnahmen gegen die Sonne lassen sich schon ab Blende f/11 sehr schöne Sterne erzeugen. Dabei zeigt das Objektiv doch einige deutliche Reflexe, die sich in nachstehender Testaufnahme jedoch gut im Motiv verbergen. Allerdings wird schnell deutlich, dass dieses Objektiv durch die Masse an verbautem Glas bei Gegenlicht doch ziemlich empfindlich ist.
Auffällige CA's habe ich nach einer ganzen Reihe von Testbildern noch nicht feststellen können. Eine Vignettierung ist hingegen in höheren Brennweitenbereichen vorhanden. Spätestens bei der Bearbeitung in Lightroom ist sie aber komplett beherrschbar.
Bei der Bearbeitung in Lightroom ist mir noch aufgefallen, dass das Bild extrem beschnitten wird, sobald man das Objektiv-Profil von "integriert" auf das tatsächliche Profil umstellt. Daher verzichte ich hier auf die Automatik und korrigiere wo nötig von Hand.
Mittlerweile werden in diesem Brennweitenbereich doch erfreulich viele Z-Objektive angeboten, die man in Betracht ziehen kann:
- Nikkor Z 24-70 f/2.8 S. Das optisch wohl beste aber auch teuerste.
Geringer Abbildungsmaßstab von 1:4,5. Deckt nur einen Teil des
Brennweitenbereichs ab.
- Nikkor Z 24-70 f/4 S. Das leichteste! Beachtliche optische Leistung.
Deckt nur einen Teil des Brennweitenbereichs ab. Preislich nur als
Kit-Objektiv interessant. Größter Abbildungsmaßstab 1:3,3.
- Nikkor Z 28-75 f/2.8. Leicht und lichtstark. Niedriger Preis. Hoher
Abbildungsmaßstab von 1:2,9. Deckt ebenfalls wieder nur einen
Teil des Brennweitenbereichs ab.
- Nikkor Z 24-120 f/4 S. Ein sehr guter Kompromiss aus Lichtstärke,
Gewicht und Brennweite. Bester Abbildungsmaßstab von 1:2,6.
Preislich im oberen Mittelfeld.
- Nikkor Z 24-200 f/4-6.3. Größter Brennweitenbereich, bei geringem
Gewicht und geringer Lichtstärke. Abbildungsmaßstab von 1:3,6.
Preislich das günstigste, wenn auch nur mit geringem Abstand.
Dagegen bietet das
- Tamron 35-150 F/2-2.8 den zweitgrößten Brennweitenbereich bei
höchster Lichtstärke und dem zweihöchsten Preis. Allerdings kommt
es mit dem schlechtesten Abbildungsmaßstab von ca. 1:5,8 daher.
Schon anhand einer solch groben Gegenüberstellung wird deutlich, dass eine Entscheidung für eines der Objektive nur auf Basis der persönlichen Prioritäten gefällt werden kann, zumal sich mit all diesen Objektiven grundsätzlich gute Fotos machen lassen.
Für mich war letztendlich der große Brennweitenbereich und die hohe Lichtstärke entscheidend. Mit dem Gewicht kann ich leben, mit dem Preis musste ich. Nur der vergleichsweise deutlich geringere Abbildungsmaßstab birgt für mich einen kleinen Wermutstropfen.
Auch diesmal kann ich nur dringend empfehlen, die letzten Endes in Frage kommenden Objektive im Fachhandel einmal in die Hand zu nehmen und auszuprobieren. Allein die baulichen Unterschiede sind schon einfach zu groß, um die Entscheidung "blind" zu fällen.
Mit seinem ungewöhnlichen Brennweitenbereich deckt das Tamron 35-150 mm einen Großteil meiner Anwendungsbereiche ab. Dass ich dafür nun auch keinen FTZ-Adapter mehr benötige, macht es für mich noch wertvoller. Dazu hat das aktuelle Modell noch einmal bei der baulichen Qualität und der Lichtstärke zulegen können. Jedoch in ähnlichem Maße auch bei Gewicht und Preis.
Den einzig echten Pferdefuß stellt für mich neben dem hohen Preis der deutlich schlechtere Abbildungsmaßstab dar.
In Sachen Bildqualität liefert es meiner Erfahrung nach, von leichten Schwächen im Nahbereich bei Offenblende abgesehen, grundsolide Ergebnisse.
Wegen seiner höheren Lichtstärke hat das Tamron 35-150 für mich das Rennen auch gegen das Z 24-120 gemacht, auch wenn das mit halbem Gewicht und nahezu halbem Preis schlagkräftige Argumente anführt.
Das Tamron 35-150 mm ist durch seine Größe und sein Gewicht wahrlich kein "Reiseobjektiv" mehr, dass man eben mal mit in den Rucksack steckt. Aufgrund seiner Vielseitigkeit und seiner hohen Bildqualität und Lichtstärke war es mir jedoch schon auf mehreren Fotoreisen ein wertvoller Begleiter, der immer wieder zum Einsatz gekommen ist.
Dafür:
+ Sauberes Bokeh.
++ Sehr angenehme Haptik, ansprechende Ergonomie.
++ Sehr schöne Freistellung
++ Solide Verarbeitung, Schutz vor Staub und Feuchtigkeit.
+++ Vielseitiger Brennweitenbereich.
+++ Hohe Lichtstärke gemessen am großen Zoom-Bereich.
Dagegen:
- Relativ groß und schwer.
- Bei Offenblende im Nahbereich recht weich.
- Relativ empfindlich gegenüber Gegenlicht.
- Der Zoomring kann nur bei 35 mm verriegelt werden.
- Der Fokusring kann nur im manuellen Modus betätigt werden.
-- Geringer Abbildungsmaßstab.
-- Keine Verwendung mit Telekonvertern möglich.
--- Vergleichsweise hoher Anschaffungspreis.
Ich freue mich an dieser Stelle über Deine Kommentare oder Anregungen zu diesem Thema.
Möchtest Du auf Deine Frage eine direkte Antwort, dann gehe bitte auf "kontakt" und nutze das dortige Kontaktformular. Nur dort kann ich Dir auch persönlich antworten!
Hinweis: Ich fotografiere zu rein privaten Zwecken und schildere hier ausschließlich meine persönlichen Eindrücke. Ich erhalte keinerlei materielle oder finanzielle Zuwendung von Tamron oder anderen hier erwähnten Herstellern.
Simon Hennig (Donnerstag, 22 Februar 2024 17:49)
Danke Ingo für diesen Artikel. Ich denke du hast mir einen kleinen bis mittelgroßen Schubs in Richtung Kaufentscheidung gegeben. Daumen hoch und weiter so.