Als ich im Frühjahr 2019 meine Z6 erworben habe, wollte ich eine kleine, leichte Kamera für Reisen, bei denen das Fotografieren nicht im Vordergrund steht. Für die reine Tier- und Telefotografie war mir meine D500 mit dem Tamron 150-600 mm zum, wie ich glaubte, unverzichtbaren Begleiter geworden.
Bereits im Herbst 2019 tauchte in Nikons "Roadmap" der Hinweis auf ein 200-600 mm Objektiv auf, der in mir zunächst nicht mehr als milde Neugier weckte, war ich doch gut ausgestattet
Nikon sollte in den kommenden Jahren ein Teleobjektiv nach dem anderen auf den Markt bringen, das 200-600 mm aber ließ auf sich warten. Genialer Marketingschachzug? Engpässe bei den Bauteilen? Meiner Neugier war die Zeit jedenfalls sehr förderlich.
Nun ist es soweit, das angekündigte Tele-Zoom entpuppte sich am Ende als ein 180-600 mm Objektiv und ist tatsächlich lieferbar.
Zwischenzeitlich hat sich einiges an meiner Ausrüstung und der Art zu fotografieren geändert. Zunehmend nutzte ich mein altes Tamron 150-600 mit FTZ-Adapter an der Z6. Noch häufiger war ich nur noch mit Z-Objektiven unterwegs. Mit dem Zugang einer Z7 und der damit verbundenen Möglichkeit, Bilder nachträglich zu beschneiden ohne zu große Einbußen bei der Auflösung zu haben, kamen die D500 und das Tamron 150-600 immer seltener zum Einsatz.
Was mich bewogen hat, mir nun doch das 180-600 mm zuzulegen und welche Vorteile ich gegenüber dem Tamron 150-600 mm sehe, möchte ich im Folgenden zusammentragen.
Das Z 180-600 hat mich auf Anhieb durch seine ausgewogenen Proportionen und seine wertige Haptik beeindruckt. Selbst die Gegenlichtblende wirkt ausreichend solide.
Auf den zweiten Blick fällt auf, dass das Z 180-600 mit viel weniger Bedienelementen daherkommt, als andere Z-Teleobjektive. Es gibt keinen VR-Schalter und der Fokusbereich kann lediglich auf 6 m - Unendlich begrenzt werden. Der kleine LED-Bildschirm ist ebenfalls nicht vorhanden, womit ich allerdings gut leben kann.
Die Abdichtung des Z 180-600 "hilft" laut Nikon "das Eindringen von Staub und Wassertropfen zu verhindern". Der Text klingt nach einem juristischen Drahtseilakt. Ein echter Schutz also, wie bei den großen Festbrennweiten ist hier nicht vorhanden. Auch deshalb wird es wohl nicht als "S"-Objektiv angeboten, wobei die Gründe wann welches Objektiv ein "S" oder einen goldenen Ring tragen darf, eines der am besten gehüteten Werksgeheimnisse von Nikon bleiben wird.
Alle diese Punkte zusammengenommen tragen wohl dazu bei, den Preis des Z 180-600 unter 2.000 EUR halten zu können.
Wo liegt der größte Unterschied zu den 150-600 mm-Objektiven von Tamron und Sigma? Das Z 180-600 ist innenfokussierend, verändert also seine Länge nicht mit dem Verstellen der Brennweite! Bei 600 mm ist es gegenüber seinen Wettbewerbern deutlich kürzer.
Damit gelingen Aufnahmen aus der freien Hand noch leichter als bisher und es fällt dadurch auch weniger auf. Die konstante Länge wird Tier- und Zoofotografen, die aus einem Unterstand heraus oder an Scheiben angelegt fotografieren, besonders gefallen.
Nimmt man den Rückendeckel ab, wird der Tubus nicht durch die Rücklinse verschlossen. Steht es auf 600 mm, ist die Rücklinse weit ins Gehäuseinnere zurückgezogen. Daher ist man gut beraten, sehr darauf zu achten, dass hier, z.B. während eines Objektivwechsels, kein Schmutz oder gar Feuchtigkeit eindringen kann.
Arca-Swiss-Aufnahmen sind bei Stativen kein Standard. Das habe ich mittlerweile akzeptiert. Trotzdem hätte es mich gefreut, hätte der Stativfuß des 180-600 die passende Aufnahme. Tamron hat gezeigt, dass es möglich ist und ich fand das immer sehr praktisch und zudem platzsparend. Eine zusätzlich angebrachte Wechselplatte verhindert häufig, dass das Objektiv noch in den Rucksack oder Köcher passt.
Immerhin lässt sich das Objektiv recht angenehm auch längere Zeit am Stativfuß tragen. Er ist groß genug und es sind keine störenden Spitzen oder Kanten vorhanden.
Die Konstruktion der Stativschelle erscheint mir jedoch nicht ganz ausgereift. Die Schraube muss extrem weit aufgedreht werden und dennoch lässt sich das Objektiv nicht glatt und gleichmäßig drehen.
Zum Anbringen einer Wechselplatte am Stativfuß sind 2 Bohrungen vorhanden, allerdings mit unterschiedlichen Durchmessern. Da muss eine dafür ausgelegte Platte oder ein Gewindeadatper her.
Vielleicht bringt ja aber auch ein Drittanbieter in den kommenden Monaten eine alternative Stativschelle auf den Markt?
Mit 95 mm hat das 180-600 den gleichen Filterdurchmesser, wie die 150-600er von Tamron und Sigma. Meine alten Filter kann ich daher weiterverwenden. Mit diesem Durchmesser passt das 180-600 auch eben noch in alle Rucksäcke, in die mein altes Tamron gepasst hat.
Alles in allem stellt das Z 180-600 mm für mich unter baulichen Gesichtspunkten gesehen, das stimmigste Gesamtpaket in diesem Brennweitenbereich dar.
Die Brennweite lässt sich mit einer Drehung von nur 70° vollständig von 180 auf 600 mm verstellen. Der Zoomring ist intiutiv zu finden, ausreichend groß bemessen und auch trotz angesetztem Stativfuß gut zu erreichen. Der Drehwiderstand ist äußerst angenehm und verhindert, ständig über das Ziel hinauszuschießen.
Durch die Innenfokussierung verändert sich die Gewichtsverteilung beim Zoomen nicht, wodurch Aufnahmen aus der Hand komfortabel möglich sind.
Der Fokusring ist relativ schmal. Sollte man ihn einmal benötigen, ist er aber durch seine spezielle Oberfläche direkt zu erfühlen und zu bedienen.
Betrachtet man die Naheinstellgrenze, schwächelt das 180-600 mm leicht. Mit 2,40 m bei 600 mm liegt es etwas über dem alten Tamron
150-600, dass auf 2,20 m kommt. Bei 400 mm liegt die Einstellgrenze des 180-600 bei 1,94 m. Mit dem Nikon Z 100-400 kommt man hier auf 0,94 cm heran!
Bei 180 mm beträgt die Grenze mit dem 180-600 noch 1,30 m. Somit beträgt der Unterschied zwischen dem oberen und unteren Ende des Zoombereichs 1,10 m. Wer viele Nahaufnahmen mit diesem Objektiv macht, wird des Öfteren die Brennweite seinem Abstand anpassen müssen.
So dachte ich bei einer meiner ersten Serien, das Objektiv stünde auf manuell, da es nicht fokussierte. Ich war aber schon etwas näher als 2 Meter an mein Motiv herangekommen. Ich brauchte lediglich die Brennweite etwas nach unten zu korrigieren, um fokussieren zu können. Da fehlt mir wohl noch etwas Übung.
Sehr positiv fällt mir auf, wie leise und direkt der Autofokus dieses Objektivs arbeitet. Selbst bei widrigen Lichtverhältnissen greift der Fokus ohne jegliches Pumpen. Der Motor ist dabei nahezu unhörbar.
Falls es einmal schnell gehen muss, aber die Gegenlichtblende noch umgekehrt auf dem Objektiv sitzt, ist das kein Problem. Sie stört nicht beim Zoomen, wie sie das z.B. beim Z 100-400 tut.
Die nahezu stellare Bildqualität der aktuellen Festbrennweiten hat vielleicht ganz tief in mir die Hoffnung geweckt, das Nikkor Z 180-600 könne an diese Objektive heranreichen oder sich zumindest deutlich über mein Tamron 150-600 G2 erheben.
Das ist so nicht der Fall, was aber keinesfalls bedeutet, dass ich die Bildqualität des 180-600 geringschätze. Es bestätigt vielmehr, welch hohes Niveau die Objektive in diesem Brennweitenbereich schon seit langer Zeit erreicht haben.
Ein sehr guter Vergleich ist bei Steve Perry zu finden. Er führt nicht nur vor, wie ebenbürtig sich das Z 180-600 gegenüber dem Z 100-400 oder dem Sony 200-600 verhält, hier wird ebenfalls sichtbar, dass die Unterschiede gegenüber den großen Festbrennweiten zwar natürlich vorhanden, aber doch geringer sind, als ich sie erwartet habe.
Auch wenn ich gegenüber dem Tamron 150-600 nicht den erhofft großen Unterschied bei der Bildschärfe und der Detailwiedergabe sehe, sind mir drei Dinge direkt aufgefallen: das 180-600 weist einen ruhigeren Schärfeverlauf auf und stellt schöner frei. Verglichen mit dem Tamron, wirkt der Bildhintergrund weicher und harmonischer. Das Bokeh ist ebenfalls ruhiger und angenehm gleichmäßig. "Fussel" in den Lichtpunkten, wie ich sie vom Tamron her kenne, konnte ich bislang noch keine entdecken.
Und tatsächlich, je mehr Bilder ich begutachte, stelle ich fest, dass das Objektiv kaum Farbsäume produziert. Hier scheint sich die hohe Vergütung der Linsen des Nikkors besonders auszuwirken.
Alles in allem also beste Voraussetzungen. Jetzt heißt es nur noch, die passenden Motive zu finden!
Nikon verspricht vollmundig "keine Einbußen bei der Bildqualität" bei der Verwendung von Telekonvertern am 180-600. Ein Satz, den man zu gerne missverstehen möchte. Schnell stellt Nikon klar, gemeint sei die "Reduzierung von Farblängsfehlern".
Wer hofft, den Hinweis "keine Einbußen" auch auf die Bildschärfe beziehen zu können, wird sich bald auf dem Boden der Tatsachen wiederfinden. Auch das Z 180-600 büßt, vor allem mit dem TC 2.0, natürlich an Schärfe ein. Fotografiert man mit dieser Kombination ein Tier auf über 50 m Entfernung, darf man einfach nicht erwarten, in der 1:1-Ansicht noch die Fellstruktur erkennen zu können.
Das hat aber wohl eher mit unseren überhöhten Erwartungen zu tun, als mit der optische Leistung des Telekonverters. Mit dem TC-2.0 erreichen wir die unglaubliche Brennweite von 1.200 mm. Kann man
damit wirklich bei einem Foto eines Hirsches in 100 m Entfernung beim Hereinzoomen noch die Wimpern zählen? Das wird schon sehr schwer, ohne störende Umwelteinflüsse, wie Thermik oder Staub, überhaupt mit einzubeziehen.
Ich habe bereits am Z 100-400 festgestellt, dass Fotos mit Konverter umso weniger an Schärfe einbüßen, je dichter man an seine Motive heran kommt. Wessen Motive in der Regel nicht weiter als 10-20 m entfernt sind, wird durchaus gute Ergebnisse erzielen können.
Auch in Verbindung mit dem 180-600 werde ich vor allem den TC-2.0 jedoch nur einsetzen, wenn ich meinen angedachten Bildausschnitt durch Croppen nicht mehr erzielen kann und die äußeren Umstände (ausreichend Licht, stabile Auflage, etc.) es zulassen. Als eine echte Dauerlösung sehe ich keinen der beiden Konverter.
Für mich ist das Nikon Z 180-600 in Bezug auf Design und Haptik das gelungenste Objektiv in diesem Brennweitenbereich. Seine Bauweise ist durchdacht und hochwertig, die Innenfokussierung kennt man bislang in dieser Klasse nur vom Sony 200-600. Und es ist ein natives Z-Objektiv, wodurch mein FTZ-Adapter endlich arbeitslos geworden ist.
Jedoch liegt es mit einem Anschaffungspreis von 1.990,00 EUR weit vorne, verglichen mit anderen Objektiven mit dieser Brennweite. Da bleibt nur zu hoffen, dass in den nächsten Monaten eine generelle Anpassung an die Wettbewerbspreise stattfindet.
Rechtfertigt die Bildqualität den Preis? Das wage ich zur Zeit so nicht behaupten. Mit dem Tamron 150-600 G2 habe ich viele erfreulich gute Aufnahmen machen können. In Sachen Bildqualität liegen die beiden Objektive, meiner Meinung nach, nicht so weit auseinander, wie es der Preis uns glauben machen will.
Wem es vor allem um den Zoombereich geht und wer sich nicht an der Nutzung eines FTZ-Adapters stört, für den bleiben die 150-600-er von Tamron oder Sigma durchaus eine günstige Alternative.
Wer sich mit dem Preis arrangieren kann, wird am Z 180-600 wegen des ausgereifteren Gesamtpakets allerdings seine Freude haben.
Dafür:
+ Gut geschützt gegen Staub und
Feuchtigkeit.
+ Solide Bildqualität über den gesamten Brennweitenbereich.
+ Weicher Schärfeverlauf, sauberes Bokeh.
+ Sehr gut in der Handhabung. Bilder ohne Stativ sind ohne weiteres
möglich.
+ Gutes Packmaß. Passt eben noch in viele der gängigen Fototaschen
bzw. Rucksäcke.
++ Sehr gute Gewichtsverteilung.
++ Hochwertige Bauweise.
++ Vielseitiger Brennweitenbereich.
++ Schneller, direkter und sehr leiser Autofokus.
+++ Innenfokussierend
Dagegen:
- Stativschelle hakt etwas beim Drehen der Kamera.
- Objektiv ohne Rückendeckel anfällig für Staub.
- Vergleichsweise hohe Naheinstellgrenze.
--- Hoher Anschaffungspreis.
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Hinweis: Ich fotografiere zu rein privaten Zwecken und schildere hier ausschließlich meine persönlichen Eindrücke. Ich erhalte keinerlei materielle oder finanzielle Zuwendung von Nikon, Tamron oder anderen hier erwähnten Herstellern.